Direktheit: Eine mächtige Waffe für den vorsichtigen Einsatz

Wo liegt die Grenze, ab der Direktheit angebracht ist und wo ist die Grenze, ab der sie schlicht notwendig und fair ist? Mir scheint es so, als herrsche in diesem Thema für viele Männer immer noch sehr viel Unklarheit. Die Unsicherheiten führen dann tragischerweise dazu, dass die meisten sich schlicht und einfach dafür entscheiden, immer undirekt zu kommunizieren, weil es in dem Fall scheint, als wäre man immer auf der sicheren Seite und meistens ist es auch die sichere Seite, jedoch keineswegs die richtige.

Ein willenloses Weichei, oder ein aufrichtiger Gentleman – darüber entscheidet unter anderem die Courage zur Direktheit. Wann ist diese also angebracht?

Etwas so zu sagen, wie es ist, ohne es zu verschönern, verschleiern, oder auf sonstige Weise zu verpacken – das ist die Definition der Direktheit und bereits nach diesen wenigen Worten sieht man auch die größte Gefahr der Direktheit. Sie kann verletzend und schmerzhaft sein und niemand will seine Mitmenschen verletzen. Ein echter Gentleman ist doch kein Grobian, ein Gentleman ist einfühlsam und kann die Wahrheit fein verpacken, oder?

Es scheint mir, als würden da zwei Welten durcheinander gebracht werden. Es gibt Situationen, in denen die Indirektheit angewandt werden darf. Die Indirektheit ist ein Luxus, der einen weichen Umgang mit der jeweiligen Person für einen herben Zeitverlust eintauscht. Diesen Luxus kann man sich in einer Liebesbeziehung leisten, oder bei Freunden. Durch viele indirekte Signale kann man der Person trotzdem das Erwünschte vermitteln, aber es braucht eben Zeit und Ausdauer.

Jedoch ist der Gebrauch dieser Luxusware in jeder Kommunikation mindestens respektlos, wenn nicht gar fahrlässig. Auch ich habe mich dieser Sünde schuldig gemacht, so wie die meisten anderen von uns und dieser Artikel sollte daher zum Umdenken bewegen, selbst wenn es nur kleine Änderungen auslöst.

Kevin Rose, ein Investor-Genie, sagte einst im Interview, er bemühe sich darum direkter in Gesprächen seine Meinung zu äußern. Er führt auf, diese Bemühungen machen die Kommunikation nicht nur kürzer und auf den Punkt gebracht, sondern Vermitteln dem Partner gegenüber auch ein Gefühl der absoluten Ehrlichkeit. Der Nachteil dieser Praxis ist, dass Kevin eine heftige Abneigung gegen Ausflüchte, wie „Wir würden ja gerne, aber wir haben keine Zeit/müssen vielleicht darüber nachdenken/der Jupiter steht im falschen Tierkreis“ entwickelt.

Wird die Direktheit vielleicht falsch aufgefasst? Wird sie mit Beleidigung gleichgesetzt, weil beide verletzend sein können? Ständige Indirektheit zeugt jedoch von Rückgratlosigkeit. Wäre die Welt nicht ein Stückchen besser, wenn Menschen zu Investitionsvorschlägen „Das ist mir zu risikoreich“, statt „Da müsste man erst die eventuellen abwägen, um eine klare Entscheidung treffen zu können, aber grundsätzlich finde ich die Idee toll“ sagen würden? Statt „Wir haben uns auseinander entwickelt und ich muss nach meinem eigenen Weg suchen“ einfach „Ich liebe dich leider nicht mehr“ und statt „Wir werden uns bei Ihnen melden“ ein kurzes, knuspriges Feedback dazu liefern, was der Kandidat bei seinem nächsten Vorstellungsgespräch besser machen könnte? Aber viele sind lieber nette Schwindler, als ehrliche Arschlöcher.

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